Vata beruhigen mit sanften Bewegungen. (Ausschnitt vom Handout zu dem Special Yoga & Ayurveda am 10. März 2018)
Vata ist eine der Grundenergien, aus denen unsere Welt und wir selbst bestehen. Es ist die Kraft, die alle beweglichen Prozesse in uns in Gang hält, die mit Mobilität, Kreislauf und Rhythmus zu tun haben. Unsere Kreativität, körperliche und geistige Beweglichkeit, das Gefühl von Lebendigkeit sind die schönsten Seiten von Vata. Die Grundeigenschaften von Vata sind leicht, trocken, kalt, schnell und wechselhaft. So wie aus einem Lüftchen unvermittelt ein Sturm werden kann, hat leider auch Vata die Vorliebe über die Stränge zu schlagen. Dann werden unsere Kreisläufe empfindlich gestört. Das betrifft unseren Bewegungapparat ebenso wie die Verarbeitung von Reizen oder Nahrung. Daher werden viele Probleme in Gelenken, Verdauung, Durchblutung auf ein Übermass an Vata zurückgeführt. Eine verstärkte Gedankentätigkeit kann zu Schlafstörungen, Sorgen, starker Sensibilität und Erschöpfung führen.
Doch es gibt im Ayurveda und Yoga erprobte und überraschend einfache Massnahmen, um Vata rechtzeitig auf das wohltuende Mass zurückzubringen und Ausgeglichenheit und Ruhe erleben zu können. Mit sanften Bewegungen gleicht die speziellen Übungsfolge unsere aktivste Bioenergie Vata aus: Jedes Gelenk wird einzeln sanft bewegt und gelöst, dabei werden anstrengende Übungen bewußt vermieden. So können wir ein Wohlgefühl im ganzen Körper herstellen und zur vollständigen Entspannung und eigenen Kraft zurückzufinden. Zusätzlich erhaltet ihr viele wertvolle Tipps für euren Alltag.
Was ist Vata?
Alles, was in der Natur vorkommt, trägt der Mensch in sich. Und alles, was im Menschen abläuft, ist ein Abbild universeller Abläufe. Das sind die grundsätzlichen Annahmen im Ayurveda. Drei universelle Wirkkräfte (Doshas) durchziehen die Welt und alles Lebendige, sie entstehen aus dem Zusammenspiel von je zwei der Grundelemente. Die Elemente von Kapha sind Wasser und Erde, es ist struktur- und substanzbildend, stabilisierend. Pitta entsteht durch Wasser und Feuer, es ist verdauend, verbrennend. Vata entsteht durch Äther und Wind (oder Luft und Raum). Vata ist Bewegung und Bewegkraft (oder Impuls, Regung, Antrieb, Motivation, Schub, Dynamik). In unserer Welt und in uns finden wir diese Doshas in unterschiedlichen Anteilen. Zum einen haben wir ein angeborene Grundkonstitution. Zum andern wirken viele verschieden äußere Einflüsse auf uns, die unseren aktuellen Zustand ausmachen.
Vata ist die Dynamik, die für jede Form der Veränderung, Wechsel, Impuls, Weiterleitung und Abtransport zuständig ist – ob dies die Erdbewegung, Blutbahn, Nervenimpulse oder Gedanken betrifft.
Vata in Körper & Geist
Vata im Körper steht hinter wichtigen Bereichen, die für uns alle lebensnotwendig sind, zum Beispiel: Aufnahme & Transport von Nahrung, Magen-Darmperistaltik, Kreislauffunktionen, Ausscheidungen, Menstruation, Geburt; Reiz-und Schmerzweiterleitung, sämtliche geistige & körperliche Bewegung, Biorhythmus; mentale Bewegungsabläufe: alle Wahrnehmungen, Aufnahme und Weiterleitung von Eindrücken und Informationen, Ausdruck/ extrovertierte Weiterleitung von Gefühlen und Information (über Sprache, Gesten etc); Gedanken, Fantasien, Ideen und geistige Kreationen, Träume, siebter Sinn, Zukunftsvisionen, Hellsichtigkeit
Der Hauptsitz von Vata ist im Dickdarm, Unterleib, Blase, Nervenbahnen (Nerven in der Haust), Gehör, Drüsen, große Knochen (Becken-und Oberschenkelnochen). Die Eigenschaften von Vata sind beweglich, leicht, wechselhaft, schnell, kalt, unregelmäßig, trocken, rauh, expandierend, substanzlos.
Was ist eine Vatastörung?
Eine Vatastörung ist ein dauerhaftes Übermass an Vata. Das wechselhafte Vata nimmt ständig zu und ab – das ist Teil seiner Natur. Bei dauerhafter Erhöhung findet es einen „Schwachpunkt“ und dies kann der Beginn einer Erkrankung sein. Nimmt Vata weiter zu, verursacht es Störungen wie in einer Kettenreaktion auf den unterschiedlichen Ebenen/Gebieten, auf denen es aktiv ist.
Vata steigernde Einflüsse im Alltagsleben
Die Vata-Faktoren erhöhen die Eigenschaften von Vata, es sind Unregelmäßigkeit, Bewegung/Reizung, Schnelligkeit und Extremes und eine unregelmäßige Lebensweise (unregelmäßige Schlafens- und Essenszeiten, Auslassen von Mahlzeiten, schnelles Essen im Gehen); Wechsel von Partner, Wohnung, Arbeitsplatz; schnelles Fortbewegen, häufiges Reisen (besonders Flugreisen); gedankliche und emotionale Bewegung, Regungen, Stress, Lärm, Unruhe, Mobbing, Streit in der Familie, Ärger, Betrachten schneller Bildfolgen; schnelle Sportarten mit harten Aufprall, Geräusch (zb. Squash) und wenig Bodenkontakt (Trampolin), extremer, intensiver Geschmack (scharf), extreme Temperatur, extreme Erlebnisse (Schock, Scheidung, Tod eines Nahestehenden), Elektromagnetische Wellen von Geräten (Handy, Computer, Nahrung aus Mikrowelle, spätes Fernsehen; Luft & Kälte: blähenden Nahrungsmittel (Kohl, Bohnen), kalte sprudelnde Getränke, Tiefkühlkost, kalte Brote und Salate, Kaffee, starker Alkohol; Wetter: windig, kalt, trocken (Winter) wechselhaft, atypisches Klima, extreme Wetterlagen; Uhrzeit 4 Uhr morgens/Nachmittags, Zeitfenster 2-6 Uhr. Im Alter nimmt Vata zu (ab Mitte 40), Alterungsprozesse sind oft Vataerhöhungen (Trockene Haut, Faltenbildung, Substanzverlust,Schlafstörungen, Depressionen).
Prädisponiert ist der „Vata-Typ“, also Menschen mit einem hohen Anteil von Vata in ihrer Grundkonstitution: feingliedrig, leicht, oft groß oder klein, trockene Haut und Haare, oft helle, dünne Haare auch Wimpern/Augenbrauen bewegliche tiefliegende Augen, eher blass, kalte Haut, Zähne oft schief, dünn, sichtbare Knochen, hervorstehender Adamsapfel, ovales Gesicht, eher introvertiert, nervös, unruhig, schüchtern, kreativ, erfinderisch, feinfühlig, begeisterungsfähig, offen, gedanklich schnell und flexibel, tiefes Verständnis für spirituelle und esoterische Themen.
Achtung! Der Typ ist nicht identisch mit dem aktuellen Zustand! Eine Vata-Typ zu sein heißt naturgemäß (in der Grundkonstitution) viel Vata zu haben. Das ist nicht problematisch und muß kein Störung verursachen. Allerdings ist der Vata-Typ oft weniger stabil und reagiert stärker auf äußere Vata-Faktoren.
Die gute Nachricht: Durch konsequentes Reduzieren von Vata reguliert sich der bioenergetische Haushalt von selbst. Der wirksamster Schutz gegen eine Vata-Erhöhung ist die Pflege von Kapha, denn Kapha gibt dem substanzlosen, leichten Vata Form und Halt.
Therapeutisches Yoga zur Reduzierung von Vata
Zur Erinnerung: Vata als subtile Antriebs- und Bewegungsenergie aus Luft und Äther steht hinter jeder Veränderung oder Regung, körperbezogen wie nervlich und emotional.
Vata ist lebenswichtig und für viele geistige Prozesse notwendig. Es gibt jedoch verstärkende Einflüsse durch Veranlagung, Lebensweise und Umwelt (unregelmässig, schnell, extrem, trocken, leicht), die den Biorhythmus empfindlich stören können und Ursachen von vielen Krankheitsbildern sind. Der Hauptsitz von Vata ist im Dickdarm, Unterleib, in Blase, Nervenbahnen (Nerven in der Haust), in Gehör, Drüsen und große Knochen (Becken-und Oberschenkelknochen). Der sicherste Schutz gegen weitere Ausdehnung von Vata ist Regelmäßigkeit, Wärme und die Pflege von Kapha-Qualitäten: Struktur, Ruhe, Substanz, Harmonie.
Um durch Yogaübungen ein Übermass an Vata zu reduzieren, sollte man diese Schwerpunkte berücksichtigen. Darüber hinaus kann man gezielt Übungen verwenden, die sich an die untere Körperhälfte richten, wo der Hauptsitz von Vata liegt. Wichtiger als die Asana (Übung) selbst ist aber die Art zu praktizieren!
Bewegungsapparat lösen: Ein Übermaß an Vata macht die Gelenke und die Wirbelsäule steif. Sanft lockernde Yogaübungen helfen die Beweglichkeit wieder herzustellen. Dabei kann der Fokus gerne auf der Beweglichkeit der Gelenke und nicht der Muskelkraft liegen.
Nervenkostüm beruhigen: Ziel ist es Stress abzubauen und nicht zu überanstrengen. Mit regelmäßigen, stetigen Yogaeinheiten (keine häufigen Wechsel der einzelnen Übungen) kann man eine wohltuende Routine aufbauen, die nicht langweilt und das Nervensystem beruhigt. Ideal wäre ein regelmäßige Yogapraxis, die eine feste Zeit im Tagesablauf findet.
Das richtige Maß finden: Eine stetige Yogapraxis zu finden (jegliche Routine) und bei ihr zu bleiben, kann Vata durchaus herausfordern. Spürbar ist dieser Moment der Herausforderung durch Langeweile, Unruhe oder jeglichen Impuls zur Veränderung. Das ist ein sehr interessanter Moment, denn wir spüren die Bewegung von Vata und können bewußt entgegensteuern.
Die richtigen Umstände schaffen um ruhig, stetig, langsam, ohne Hast üben zu können:
Ruhige Umgebung finden, warm, keine Zugluft, ohne lauten Geräusche oder Irritationen, kein Termindruck.
Einen leichten Fokus halten um nicht in Zerstreutheit oder Langeweile abzudriften: Hilfreich sind sanfte, regelmäßige Atemübungen, die die Aufmerksamkeit binden: Kapalabhati (nicht übertreiben), Nadi Shodana und alle Übungen, die mit regelmäßigem, leichten Rhythmus ausgeführt werden oder gezielt das Nervensystem beruhigen (Brahmari).
Den Bodenkontakt halten: Umsetzbar ist dies in Übungen im Liegen/Sitzen oder durch bewußtes Stehen/Gehen, Entspannungsübungen mit Fokus auf Erdung, Bodenkontakt, Körpergewicht, Vermeiden von schnellen Bewegungen, Wechseln, Sprüngen, kein Yogatuch oder SUP-Brett.
Erdende Meditationen/ Entspannungsübungen mit leichtem Fokus üben: Mit der Wahrnehmung bei der Atmung, dem Wahrnehmen des Bodenkontakts und des eigenen Körpergewichtes bleiben. Es ist oft hilfreich ganz in der Körperwahrnehmung zu bleiben und auf innere Bilder oder Reisen in die Vorstellungswelt zu verzichten.
(Christina Gericke, März 2018)