Yoga und Menstruation – wie übe ich Yoga an diesen Tagen?
Schonzeit oder weitermachen? Einmal im Monat stellen sich viele yogaübende Frauen diese Frage. In manchen Yogarichtungen sieht man die Frauen während der Menstrution keine Umkehrhaltung üben, manche setzen ganz aus, manche üben weiter wie gehabt… findet ihr das auch so verwirrend? Ich habe versucht ein paar Antworten zusammengetragen, die ein wenig Orientierung geben sollen.
Frauen im traditionellen Yoga – Wer kennt sich eigentlich aus mit den Frauenthemen?
Sorry, Mädels: Die überlieferten Texte des Yoga wurden anscheinend ausnahmslos von Männern verfasst und richteten sich an männliche Yogis. Erst im 20. Jahrhundert begannen die Yogameister ihre Ehefrauen und Töchter unterrichten, denn das Kastensystem erlaubte den Unterricht nur innerhalb der Familie. In den 40er Jahren kamen die ersten Frauen aus dem Westen, die sie unterrichten durften. So fanden zum Beispiel Krishnamacharya und Sivananda zu ihren berühmten Schülerinnen Indra Devi und Sivananda Radha. Seit den 60er Jahren kamen viele weitere Yogaschülerinnen aus dem Westen, die die traditionellen Yogastile weit verbreiteten. In Indien sind es aber weiterhin nur die Töchter oder Ehefrauen der Yogameister, die Yoga erlernen und unterrichten. Kurzum – ich glaube, die Töchter von P. Jois und B.K.S. Iyengar können viel zu dem Thema beitragen.
Traditionelle Antworten: Keine Umkehrhaltungen während der Menstruation.
Geeta S. Iyengar ist die älteste Tochter von B.K.S. Iyengar und eine der ersten indischen Yogalehrerinnen, die in den Westen kamen. Geeta schlägt in diesem sehr lesenswerten Artikel einige Standhaltungen, sitzende Vorwärtsbeugen und krampflösende, entlastende Haltungen vor, die den hormonellen Zyklus von Frauen optimal begleiten sollen. Sie schlägt sogar einzelne Haltungen für konkrete Beschwerden vor. Aber sie warnt vor jeglichen Umkehrhaltungen, einigen Rückbeugen und einigen Armbalances, die aus der Körpermitte stabilisiert werden. Sie begründet ihre Warnung vor Umkehrhaltungen damit, dass der Blutfluss unmittelbar gestoppt würde. Aus ayurvedischer Sicht sei das problematisch.
Die Ashtanga-Antwort: Kein Ashtanga Yoga in den ersten drei Tage der Menstruation.
„Ladies‘ holidays“ nennen die Ashtanga-Übenden die ersten drei Tage der Menstruation, in denen traditionell kein Ashtanga Yoga geübt wird. Aufschlußreich ist das Interview mit Saraswati Rangashwami, um die strikte Haltung innerhalb der Ashtanga-Tradition zu verstehen. Saraswati ist die der Tochter von Pattabhi Jois und unterrichtete jahrzehntelang zusammen mit ihrem Vater in Mysore. Saraswati erklärt, dass Frauen während der Menstruation eine Pause bräuchten, um fruchtbar zu bleiben. Sie erinnert auch daran, dass sich die Frauen in Indien traditionell während der ersten drei Tage schonten und schlägt einige ayurvedische Massnahmen vor. Ganz allgemein rät sie Frauen zu Pausen, nur moderater Anstrengung und vor allem dazu, vorrangig die erste Serie des Ashtanga zu üben. Sie erwähnt außerdem, dass einige Haltungen im Ashtanga für Frauen nicht geegnet seinen – leider ohne sie zu nennen.
Die Antwort der Schulmedizin: Moderat weitermachen.
Zuallererst: Aus schulmedizinischer Sicht gibt es keinen Grund, auf Bewegung und Sport zu verzichten. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, daß Umkehrhaltungen während der Menstruation schaden könnten. Das Menstruationsblut fließt nicht kontinuierlich, sondern wird durch Muskelkontraktion der Gebärmutter bewegt. Oft sind es genau diese Kontraktionen, die krampfartige Beschwerden verursachen können.
Hormonell bedingt erleben allerdings viele Frauen eine erhöhte Beweglichkeit im Becken, im unteren Rücken und den Iliosakrakalgelenken (ISG). Das ist heißt für diese Yogaübenden besser auf extreme Rückbeugen und starken Dehnungen des ISG zu verzichten (hier finden sich einige in der zweiten Serie des Ashtanga Yoga!)
Heißt das nun doch Schonzeit? Nicht unbedingt.
Moderate Yogaübungen können in diesen Tagen einfach gut tun, auch Umkehrhaltungen. Yin Yoga ist zum Beispiel eine gute Wahl, um sich während der Menstruation eine Pause zu gönnen. Bei Schmerzen gibt es einige wirksame, entlastende Yogaübungen (Apanasana, Baddha Konasana, Supta Baddha Konasana, Upavishta Konasana, Viparita Karani, Yin Yoga an der Wand).
Meine persönliche Antwort auf die Frage lautet: Mir tut sanftes Yoga mit entspanntem Beckenboden (keine Bandhas) während der ersten drei Tage sehr gut. Ich vermeide dabei tiefe Rückbeugen und weitere Haltungen, die ich aus dem unteren Bauch/Beckenboden stabilisiere (Navasana, Bakasana, Titbasana) und verzichte auf (viele) Vinyasas. Am vierten Tag übe ich gerne die erste Serie des Ashtanga Yoga vollständig. Nach meiner Erfahrung ist es für mich langfristig das beste, diesen Rhythmus einzuhalten. In den Jahren, in denen ich meine Menstruation nicht beachtet habe, fühlte ich mich oft nach den Yogastunden erschöpft. Deshalb möchte ich mich den Antworten von Geeta und Sarawati hier in weiten Teilen anschließen.
Dennoch – das sind alles nur Ratschläge, die für euch persönlich zutreffen können oder nicht. Auch bei diesem Thema gibt es im Yoga keine festen Regeln – bitte traut euch unbedingt eigene Erfahrungen zu sammeln!!